5000

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Wir hätten nie gedacht, dass wir, geschweige denn wir mit Humphrey, mal auf über 5000 Meter fahren. Dementsprechend war die Aufregung ziemlich groß. Vor allem da mir bei der Tour in die Salar de Tara zwei Tage zuvor der Kreislauf bei fast 4800 Metern weggesackt ist.

Vielleicht liegt es aber auch an den 2300 Höhenmetern, die man innerhalb einer Stunde von San Pedro de Atacama hoch zur bolivianischen Grenze fährt. Wer weiß das schon, die Aufregung war auf alle Fälle groß.

Die Aufregung war auch groß, weil sich eine Menge Mythen um die sagenumwobene Laguna-Route halten. Was wird einem nicht alles über diese gesagt. Zum einen ist da die Höhe, die natürlich ein Fakt ist. Zum anderen ist da die Kälte in der Nacht, also Minustemperaturen selbst im Sommer, wie verhält sich also der Diesel? Dann ist dort die große Abgeschiedenheit. Tagelang keine Menschenseele. Was ist, wenn etwas passiert? Der Sprit ausgeht, man stecken bleibt oder einem die Luft wegbleibt? Auch wird über die anspruchsvolle Route gesprochen, über Flussdurchquerungen – und wenn man eine Weile weiter recherchiert, wird man noch andere Märchen finden. Die Realität sieht ein wenig anders aus.

Um gleich mal mit den ganzen Mythen aufzuräumen; alleine ist man auf der Laguna-Route nie. Jeden Tag fahren irgendwas zwischen 70 bis 100 Toyota Land Cruiser entlang der Laguna-Route und karren jede Menge Touristen von A nach B. Die Touren sind immer die gleichen: Touristen werden von Chile über die Grenze gefahren, dort werden sie von ihren bolivianischen Fahrern in Empfang genommen und dann geht es über drei Tage entlang der Laguna-Route Richtung Salar de Uyuni. Die andere Variante ist von Uyuni aus ein Rundtour durch das Altiplano. Das heißt, zu bestimmten Zeiten staut es sich im wahrsten Sinne des Wortes und man ist definitiv nicht alleine. Wenn man nicht alleine ist, muss man sich auch keine Sorgen machen, dass einem im Notfall nicht geholfen wird. Wenn man stecken bleibt, wird einem der nächste Wagen helfen. Hat man keinen Sprit mehr, verkaufen einem die bolivianischen Fahrer gerne ein paar Liter. Falls jemand die Vorstellung hat, entlang der Route gäbe es keine Infrastruktur, liegt auch falsch. Es gibt jede Menge Hostels inklusive einiger recht exklusiver Unterkünfte. D.h. es gibt immer einen warmen Ort, es gibt immer etwas warmes zu essen und jede Menge Touristen.

Da wird dem entgehen wollten, waren wir gleich die Ersten an der Grenze und haben ein wenig Warten in der kalten Morgenstunde in Kauf genommen. Dabei haben wir festgestellt, dass Benzin aus Humphreys Tank tropft. Nicht viel, aber es war uns auch egal, weil die Höhe es nicht zuließ, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Wir hatten andere Sorgen.

Wir sind also als Erste durch die chilenische Grenze geschlüpft, um dann auf der bolivianischen Seite zu warten. Zu dem Zeitpunkt glaubten wir, dass uns ein kleiner rechnerischer Fehler unterlaufen ist.  Die Bolivianer sind den Chilenen nicht eine Stunde voraus, sondern eine Stunde hinterher, d.h. wir waren die Ersten, die Chile kurz nach 8:00 Uhr verlassen haben, mussten aber bei der Einreise in Bolivien mal getrost eine Stunde warten, weil nach chilenischer Zeit die Grenze erst um 9:30 Uhr öffnet. Auch hier haben wir jedoch nicht weiter darüber nachgedacht, weil unsere Sinne durch die Höhe getrübt waren und denken viel zu anstrengend war. Es fühlte sich ein wenig an, also ob man sich mit der alljährlichen Zeitumstellung befasst und vorher unter Drogen gesetzt wurde. Man kann sich also gedanklich nur verheddern. Wir haben einfach gewartet. Während dieses Wartens haben sich dann in dem Nichts – denn das ist das Altiplano schon – auch an der Grenze mehr und mehr Menschen angesammelt. Die Land Cruiser kamen von der bolivianischen Seite aus und die Touristen von der chilenischen.

Zum Glück haben wir einen Tag vor unserer Tour mit Camillo gesprochen, Tourguide für Fotografen, der die Tour schon zigmal gefahren ist. Er hat uns wärmstens ans Herz gelegt, nicht komplett entlang der Laguna-Route zu fahren. Zum einen, um allein zu sein, und zum anderen, um auch etwas anderes zu sehen, als eine Lagune nach der nächsten. Das haben wir dann auch so gemacht.

Landschaftlich ist die Laguna-Route bzw. das südliche Altiplano in Bolivien einzigartig. Man hat wirklich den Eindruck man fährt durch eine Mondlandschaft und wenn man den Land Cruisern entkommen ist, hat man auch den Eindruck man sei ganz alleine auf dem Mond. Hinzu kommt dieses komische Gefühl, das man die ganze Zeit hat, wenn man sich um und bei 4.500 Metern Höhe aufhält.

Unser Frühstück an der Laguna Colorada war eine recht anstrengende Angelegenheit, weil wir natürlich mit dem Frühstück in der Hand einen kleinen Hügel hochlatschen mussten, damit während des Frühstücks die Aussicht stimmt. Alles ist auf dieser Höhe anstrengend, jeder Schritt kostet Kraft und ein Teil in dir würde das sehr gerne sofort beenden. Dementsprechend sahen wir auch aus. 🤪

Wir cruisten also weiter durch das Altiplano auf den miesesten Buckelpisten, die man sich vorstellen kann. Die Wege hier sind aber nicht anspruchsvoll zu fahren, also kein Offroad Driving, welches den Fahrer irgendwie fordern würde. Sie sind einfach nur in einem dermaßen schlechten Zustand, dass es für Fahrer und Fahrzeug eine kleine Tortur ist. Also auch hier ist der Mythos ein Mythos und hat mit der Realität nichts zu tun.

Da wir rastlos sind, und die Realität der Strecke nichts mit den Mythen gemein hat, sind wir am ersten Tag das gefahren, was wir eigentlich an zwei Tagen fahren wollten. Natürlich auch um ein wenig herunterzukommen von der Höhe, da der Navigator an diesem Tag die Höhe das erste Mal nicht so dolle vertragen hat. Die Campsite für diese Nacht war eine der besten, die wir auf unserer ganzen Reise hatten. Eine wirklich Oase, ganz für uns alleine, ein Traum namens Catal.

Am nächsten Tag konnte ich dann endlich mal Offroad fahren. Also mit Diff Lock und Untersetzungsgetriebe. Auf der ganzen Tour gab es nicht wirklich die Notwendigkeit für diese Dinge. 4WD ist schon sehr hilfreich und die Bodenfreiheit ist auch von Vorteil, aber alles andere ist im Grunde für eine Tour durch Südamerika nicht notwendig. Im Valle de Las Rocas, einen Loop den man fahren kann, nicht muss und den vor uns, den nicht vorhandenen Reifenspuren nach, schon lange keiner mehr gefahren ist, konnte ich endlich mal die Kraft, die in Humphrey sitzt, genießen.

Nach diesem kleinen, aber sehr schönen Ausflug ging es dann vorbei an unzähligen Quinoa Feldern weiter Richtung Salar de Uyuni. Die Straßen wurden leider nicht besser, und es fing sich an ein wenig zu ziehen. Irgendwann kamen wir dann aber endlich auf eine der Straßen, die von einer der Minenfirmen finanziert ist. Die wollen natürlich, dass ihre LKWs ein wenig halten, von daher bauen sie sich ihre Straßen selber. Gut für uns, wir empfanden, genug durchgeschüttelt worden zu sein.

Leider haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Kurz vor Uyuni ging plötzlich die Welt unter und es schüttete aus Kübeln. Die Stadt Uyuni selbst präsentierte sich dann entsprechend überschwemmt. Man kann, glaube ich, sagen, ohne Jemandem zu nahe zu treten, dass Uyuni ein Loch ist – Regen hin oder her…

Eigentlich war die Idee, von Süden aus durch die Salar de Uyuni nach Uyuni zu fahren, aber sowohl Camillo als auch die Fahrer, die wir unterwegs fragten, meinten, dass die Salar derzeit unter Wasser steht und die Einfahrt daher eigentlich nur von Colchani aus (in der Nähe von Uyuni) möglich ist. Da die Salar eine Salzwüste ist und Salz so ziemlich das Dümmste ist, das man seinem Auto antun kann, mussten wir uns eingestehen das Humphrey wohl nicht durch die Salar fahren wird. Stattdessen musste ein Spielzeugauto als Requisite herhalten, da wir nicht das gleiche Schicksal erleiden wollten, wie ein anderes Pärchen die trotz aller Warnungen mit ihrem Wagen in die Salar gefahren sind und dann vier Wochen lang in Uyuni auf Ersatzteile gewartet haben, weil die gesamte Elektrik im Wagen durch das Salz kaputtgegangen ist.

Da also angesichts des Regens aus einer sternenklaren Nacht in der Salar nichts werden würde, haben wir uns kurzerhand in eines der Salzhotels am Rande der Salar eingebucht. Die Fahrt über eine 4km lange Straße zum Hotel war mal wieder ein Graus. Einspuriger Asphalt, ein Krater nach dem nächsten. Wir haben alle gelitten und die Straße, das Wetter, die Salar und das Hotel verflucht.

Wir haben uns dann für den nächsten Morgen einen Land Cruiser samt Fahrer organisiert, der mit uns in die Salar gefahren ist. Und irgendwie, das Wetter war eben auch nicht so dolle, hat uns das alles nicht so umgehauen. Um uns herum lauter Leute die lustige Reflektionsfotos gemacht haben, wie das hier eben alle machen, und doch irgendwie immer das Gleiche.

Zum ersten mal auf unser Reise haben wir hier festgestellt, wie satt wir uns inzwischen gesehen haben. Wieder einmal haben wir erfahren, dass klassische Touristen-Highlights uns nichts geben und das Hype und Mythos meist überbewertet sind.

Wir haben dann mal an die Salar einen Haken gemacht und sind in das Herz Boliviens aufgebrochen. Dazu dann mehr im nächsten Bericht.

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