Parque Nacional Patagonia

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Wenn es einen Platz gibt, der eine besondere Erwähnung finden muss, dann ist es der Parque Nacional Patagonia in Chile, direkt an der Grenze zu Argentinien liegend.

Nachdem wir uns entschieden hatten, nicht die Fähre von Puerto Natales hoch zur Carretera Austral zu nehmen, sondern die Ruta 40 wieder hochzufahren und über den Paso Roballos nach Chile zu fahren, lag der Parque Nacional Patagonia sozusagen auf der Strecke zur Carretera Austral.

Als wir in den Park hineinfuhren und zur ersten Campsite kamen, war uns sofort klar, dass wir hier ein wenig Zeit verbringen wollen. Das lag zum einen daran, dass diese Campsite erst vor zwei Wochen eröffnet wurde, demnach alles neu war. Außerdem hatte die Campsite nur sechs Plätze und diese waren jeweils 50 Meter voneinander entfernt. Und wir waren alleine. Also so, wie man sich Campingplätze in Träumen vorstellt. Nicht wie auf dem Campingplatz im Parque Nacional Los Glaciares, auf dem ich mir morgens mit 30 Jungs zwei Toiletten und drei Waschbecken teilen musste, das Ganze auf 9qm.

Campsite mit View

Doch bevor wir unser Lager aufschlagen konnten, mussten wir erst mal wieder aus dem Park raus und nach Cochrane, den nächsten Ort, um unsere Vorräte aufzufüllen. Wir reden hier von 60km hin und 60km zurück. Der Hauptgrund dafür ist, dass man bei der Einreise nach Chile keine frischen Lebensmittel einführen darf. Man ist da in Chile ein wenig empfindlich. So gibt es z.B. in Chile keine Vollmilch, sondern nur H-Milch, und die muss unbedingt im Kühlregal stehen. Dafür liegen aber lose, tiefgefrorene Fleischstücke in der Tiefkühltruhe. Hunderte. Nun gut, darum geht es hier eigentlich nicht.

Da wir also durch die Hintertür in den Park gefahren sind, sind wir einmal durch den ganzen Park hindurch und haben uns auf der Stelle verliebt. Was auch immer es ist, der Park, das Tal in dem der Park liegt, ist etwas ganz Besonderes. Dazu kommt die Liebe und die Großzügigkeit, mit der dieser Park gestaltet wurde.

Als wir dann bei der Parkverwaltung ankamen und die Gebäude sahen, umringt von unzähligen Guanacos, kamen wir uns irgendwie in einem falschen Film vor. Alles was wir bisher an Parks gesehen hatten, hatte mit dem hier nix zu tun. Der Rasen sah aus wie auf einem Golfplatz, das Areal erinnerte eher an eine Luxuslodge, der ganze Stil des Parks erinnerte mehr daran, dass er in Nordamerika und nicht in Chile mitten im Nirgendwo liegen würde und irgendjemand richtig viel Geld in die Hand genommen hat, um etwas Besonderes zu schaffen. In die Parkverwaltung ist der Eintritt nur ohne Schuhe erlaubt, dementsprechend müffelte der Vorraum ein wenig. Innen hingegen, befand man sich in einem fast sakralen holzvertäfelten Raum, mit feinstem Parkett aus dunklem Holz, an der Wand hingen prächtige, großformatige Bilder vom Park, es gab jede Menge Sitzmöglichkeiten, alles sah viel zu schön aus, um wahr zu sein.

So langsam machte es dann bei uns Klick. Wir erinnerten uns an Douglas Tompkins und seine Stiftung, von der wir vor unserer Reise gelesen hatten, deren Ziel es ist, 17 Nationalparks im südlichen Amerika aufzubauen und miteinander zu verbinden.

Douglas Tompkins hat die Firmen The North Face und Esprit mit gegründet. 1989 zog er sich komplett aus den Geschäften zurück und erwarb in Südamerika jede Menge Land. Er wurde nach dem Staat der größte Grundbesitzer – mit dem Ziel, die Natur so zu erhalten, wie sie ist. Neben der Tatsache, dass er wunderschöne Parks geschaffen hat, war er Umweltaktivist, Naturschützer, Filmemacher, Farmer und liebte es draußen zu sein.

Ende 2015 ist er im Alter von 71 Jahren nach einem Kayakunfall auf dem Lago General Carrera, also um die Ecke vom Park, verstorben. Hier im Parque Nacional Patagonia hat er seine letzte Ruhestätte gefunden.

Der Parque Nacional Patagonia ist ein Teil seines Vermächtnisses und das seiner Stiftung. Um genau zu sein: in dem Moment, als wir in dem Park waren, war es noch kein Nationalpark, das ist er erst am 29. Januar diesen Jahres geworden. Also eine Woche nach unserem Besuch. An diesem Tag unterschrieben in eben diesem Park die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet und Kristine McDivitt Tompkins, die Witwe von Douglas Tompkins und Vorsitzende der Stiftung, ein Dekret, das den Parque Patagonia und den Parque Pumalin dem chilenischen Staat übergaben und diese damit zu Nationalparks machte.

Ein anderer Grund, warum der Park so besonders ist, ist das Mikroklima in dem Tal. Die Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter im Park ist wesentlich höher als um den Park herum. Wir haben vier Tage bei schönstem Wetter im Park verbracht. In dieser Zeit sind wir den Sendero Lago Chico und den Sendero Valle Aviles gewandert, dabei sind wir aus dem Schwärmen nicht mehr herausgekommen.

Der Sendero Lago Chico begrüßte uns mit einem fantastischen Blick über den Lago Cochrane. Keine Menschenseele um uns herum, als plötzlich eine Truppe hinter uns erschien. Freunde von Doug Tompkins, die anlässlich der Zeromonie im Park waren: der Track Designer (wir haben uns noch nie darüber Gedanken gemacht, dass dies ein Beruf sein kann!) und die anderen hatten sicherlich auch wichtige Funktionen im Park. Nach einem netten Gespräch mit der Truppe haben wir uns auf den Weg gemacht. Wir hatten den Eindruck, als ob irgendjemand einen Eimer Farbe um uns herum ausgeschüttet hat. Alles strahlte und blühte in satten Farben. Wir waren wieder ganz alleine, haben keine Menschenseele auf der ganzen Wanderung getroffen. Traumhaft.

Sendero Lago Chico

Auch der Sendero Valle Aviles war wunderschön, wenngleich auch wesentlich karger und trockener. Der gleiche Park, aber eine sehr unterschiedliche Erscheinung, so wie man es sich wünscht. Auch hier war der Trail irgendwie perfekt. Man läuft die ganze Zeit auf den Cerro Pintura zu, hat als Wendepunkte eine spektakuläre Hängebrücke und sowohl das Höhenprofil als auch die Distanz waren wie auf uns zugeschnitten. Ab und zu läuft man noch an Guanacos vorbei, die dann kurz bevor man sie über den Haufen rennt, doch noch aufstehen und kundtun, dass sie Schisser sind. Auch auf diesem Trail haben wir gerade mal drei andere Pärchen getroffen. Also genau die Anzahl an anderen Menschen, die dir das Gefühl vermitteln, alleine in der Natur zu sein.

Sendero Valle Aviles

Dazu kommt, dass die Natur hier komplett unberührt aussieht. Man sieht einfach, dass der Park noch nicht so lange existiert, die Pfade noch nicht plattgetrampelt sind. Alles strahlt einen an. Wie ich schon schrieb, der Ort hat etwas Besonderes, schwer in Worte zu fassen. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis die Leute hier Schlange stehen werden, bis man einen Platz auf den Campingplätzen im Vorhinein reservieren muss.

Vielleicht wird es sich aber auch in Grenzen halten, denn es gibt hier eine Sache, die man auch in Bildern schlecht vermitteln kann: Bremsen. Millionen davon. Immer dann, wenn die Sonne herauskommt, es warm wird, der Wind einen nicht beschützt, sind die nervigen Gesellen bei einem und beißen zu. Das hat zwar keine Folgen, weil die Bisse im Nachhinein nicht jucken, aber mein Gott können die nerven. Von daher, vielleicht ist es gut so, vielleicht sorgen die dafür, dass sich der Ansturm in Grenzen halten wird.

Beim Herausfahren aus dem Park wurden wir noch von Dani und seiner Freundin angesprochen, natürlich wegen Humphrey. Beide sind Volontäre und kümmern sich um den Gemüsegarten des Parks, den wir uns natürlich noch angeschaut haben. Der Garten wurde über fünf Jahre lang aufgebaut und man findet in ihm alles, was das Herz begehrt, inklusive eigener Setzlinge. Er dient dazu, die Lodge und das Restaurant im Park mit Gemüse und Kräutern zu versorgen, als auch die Mitarbeiter und ihre Familien. Zu unserer Freude gab es als Geschenk zur Abreise noch ein wenig frischen Grünkohl, eine Möhre und ein paar Kräuter.

Es gibt so Orte, an denen alles zusammenkommt, was gut ist. Der Parque Nacional Patagonia war für uns so ein Ort. Wir sind total glücklich, hier gewesen zu sein und freuen und schon auf den Parque Nacional Pumalin, der noch auf unserer Route liegt.

Falls irgendjemand von Euch gerade nichts vor hat, gerne wandert, und ein wenig Zeit und Geld übrig hat: Das ist der Ort, zu dem er reisen sollte.

Update: Wir waren inzwischen auch im Parque Nacional Pumalin, der auch klasse war, aber wesentlich bekannter und stärker frequentiert. Von daher: Kommt lieber hierher. 😘

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